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Julia Marktl

Stillgruppen – warum wir sie brauchen

Was macht man eigentlich bei einer Stillgruppe? Sitzen da alle im Kreis und stillen gemeinsam?

Ja, irgendwie schon und das ist nur Nebensache.

Aber langsam und der Reihe nach:

Was ist überhaupt eine Stillgruppe?

Stillgruppen (auch: Stillcafes oder Stilltreffen) werden von Stillberaterinnen geleitet. Frauen treffen sich in wechselnder Runde um Fragen an die Stillberaterin/ Stillberaterinnen zu stellen und zum Austausch mit anderen Müttern. Stillgruppen finden regelmäßig statt, oft 1 x pro Monat oder alle 14 Tage und dauern 1,5 – 2 Stunden.

Da das Leben mit Baby und/oder Kleinkinder/n schon so wunderschön aufregend ist, sind Stillgruppen unkompliziert organisiert. Anmeldung ist gewöhnlich nicht notwendig und es gibt lediglich einen niedrigen Unkostenbeitrag für die Räumlichkeiten und Verpflegung zu entrichten.

Stillgruppen können von einer Person geleitet werden oder von einem Team an Stillberaterinnen. Dabei ist es möglich, dass sich Stillberaterinnen unterschiedlicher Vereine und Organisationen zusammen tun und eine gemeinsame Stillgruppe führen.

Wir Stillberaterinnen freuen uns immer, wenn jemand in eine Stillgruppe kommt und haben vollstes Verständnis dafür, wenn es einmal doch nicht klappt, eine Mama später kommt oder früher geht.

Mit einer Stillgruppe eröffnen Stillberaterinnen einen offenen, wertschätzenden Raum für Mamas die stillen oder stillen wollen. Auch in der Schwangerschaft bist du bereits herzlich in einer Stillgruppe willkommen.

Welche Themen haben Platz in einer Stillgruppe?

Viele Themen die Mamas mitbringen wollen finden auch ihren Platz in einer Stillgruppe. Natürlich gibt es ein paar Klassiker, die immer wieder auftauchen. Hier ein kleiner Auszug:

  • Stillabstände

  • Koliken, Bauchweh, etc

  • wunde Brustwarzen

  • Stillhütchen

  • Abpumpen

  • Zufüttern

  • Zahnen

  • Schlafen

  • Beikost

  • Stillen in der Öffentlichkeit

  • Verhütung

  • Kinderwunsch

  • Stillen und Arbeiten

  • Abstillen

Selbst wenn dich kein spezielles Thema beschäftigt und du keine Stillprobleme hast, ist eine Stillgruppe ein toller Ort um andere Mamas und Kinder kennen zu lernen. Manchmal ist es auch nett einen fixen Termin zu haben um wieder etwas Struktur im Alltag zu etablieren. Gleichzeitig ist es entlastend, wenn man sich nicht stressen muss – denn in der Stillgruppe versteht es wirklich jede, wenn man nicht kommen kann.

Natürlich eignen sich nicht alle Stillthemen für die Besprechung in der großen Gruppe. Vielleicht braucht es einen anderen Rahmen und frau möchte lieber allein mit einer Stillberaterin sprechen. In diesem Fall kann eine Stillgruppe eine Möglichkeit sein, die Stillberaterin ungezwungen kennen zu lernen.

Bei all der Themenvielfalt achten Stillberaterinnen stets auf ihre fachlichen und persönlichen Grenzen. Über die Jahre baut sich ein professionelles Netzwerk an Fachpersonen auf, auf das die Stillberaterinnen zurück greifen können.

Kann ich das nicht alles im Internet und in Büchern nachlesen?

Als Mitglieder einer Informationsgesellschaft sind wir es gewohnt Informationen zu sammeln und zu filtern. Bücher, Social Media Gruppen und Seiten, Still – Webinare und weitere Angebote gibt es wie Sand am Meer.

Viele dieser Angebote sind wertvoll und vermitteln Wissen, das wir so dringend wollen und brauchen. Gleichzeitig ersetzen sie keine Stillgruppe.

Stillgruppen sind Orte sozialen Lernens und solche Orte sind für uns Menschen wichtig.

Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir streben nach Kooperation und unser soziales Lernen funktioniert durch Beobachten und das Miteinander in einer Gemeinschaft.


Auch Stillen ist nichts, was uns Menschen in die Wiege gelegt wird. Die körperlichen Voraussetzungen um zu Stillen bringen Mütter und Kinder in der Regel mit. Nur wie funktioniert das jetzt wirklich?

Unsere Art und Weise zu leben hat sich verändert. Wir sitzen nicht mehr ums Feuer, tauschen uns regelmäßig aus und leben auch nicht in Großgruppen. Stattdessen leben wir in kleinen Kernfamilien (Vater, Mutter, Kind (er)) und kämpfen uns alleine durch den Familienalltag. Es fehlt jungen Familien an Vorbildern im täglichen Leben. Es gibt zwar von allen Seiten gut gemeinte Ratschläge, allerdings sind diese durchzogen von Ammenmärchen und Stillmythen.

Wir sehen nicht mehr, wie eine Stillbeziehung abläuft und wie groß die Spannbreite der Normalität ist. Und genau hier kommen Stillgruppen ins Spiel.

Stillgruppen können dabei unterstützen das Stillen von Babies und Kleinkindern zu normalisieren. Frauen lernen andere Frauen kennen, die ähnliche Themen, Sorgen, Ängste und Erlebnisse haben wie sie selbst.

Es kann unglaublich entlastend sein, wenn man feststellt, dass man gar nicht alleine mit seinem Problem ist. Auch die Kinder anderer Eltern schlafen wenig, essen scheinbar zu wenig und stillen ständig.

Der Erfahrungsaustausch unter den Müttern ist sehr wertvoll und bereichernd.

Und wenn ich abstillen will?

Komm in die Stillgruppe. Ehrlich.

Abstillen gehört zu einer Stillbeziehung dazu, wie jedes andere Thema auch.

Stillberaterinnen begleiten Mamas auch beim Abstillen und die anderen Mamas in der Runde profitieren häufig davon zu sehen, wie abgestillt werden kann. Stichwort: Soziales Lernen.

Die Motivation von uns Stillberaterinnen

Stillberaterinnen leiten Stillgruppen in den allermeisten Fällen ehrenamtlich und unbezahlt. Die Motivation dahinter liegt oft in den persönlichen Geschichte der Frauen. Viele ehrenamtliche Stillberaterinnen waren selbst Besucherinnen von Stillgruppen, haben selbst Hilfe bei einer Stillberaterin gesucht oder hätten sich eine Stillgruppe gewünscht.

Wenn die Zeit erreicht ist und eine Stillberaterin sich zurück ziehen möchte und ihre zeitlichen Ressourcen an anderer Stelle benötigt, wartet meist schon mindestens eine Frau in der Stillgruppe darauf, selbst Stillberaterin zu werden und die Stillgruppe zu übernehmen.


Fotos: Julia Marktl auf verschiedenen Informationsveranstaltungen rund ums Thema Stillen.

Covid – 19 und Stillgruppenarbeit

2020 stellt uns Stillberaterinnen auch in der Stillgruppenarbeit vor besondere Herausforderungen. Stillgruppen können auch während einer Pandemie stattfinden und werden auch dringend gebraucht, denn Babies machen keine Pause.

Es gibt Online – Stillgruppen die mit einem Videokonferenztool abgehalten werden. In den wärmeren Monaten gibt es Stillgruppen in Parks. Auch Still – Spaziergänge sind möglich. Indoor Stillgruppen sind unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen möglich und sollten nur abgehalten werden, wenn die räumlichen Gegebenheiten dies zulassen. Anmeldungen sind zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls notwendig.

Abschließend möchte ich sagen, dass es mir als Stillberaterin eine große Ehre ist, dass ich als Teil einer Stillgruppe einen Raum für Frauen öffnen darf, in dem sie sich sicher und geborgen fühlen.
 

Über die Autorin:

Julia Marktl ist Mama von 3 Kindern und lebt mit ihrer Familie im Grünen nördlich von Graz. Sie engagiert sich seit 2012 als ehrenamtliche ÖAFS Stillberaterin und steckt als Referentin ihr Herz auch in die Ausbildung neuer Stillberaterinnen. Die diplomierte Mediatorin arbeitet am Liebsten mit Familien und setzt sich für Kommunikation und Konfliktlösung auf Augenhöhe und für mehr Gelassenheit im Familienalltag ein. Sie kann dabei auf einen langjährigen Erfahrungsschatz und laufende Weiterbildung zurück greifen.


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