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Langzeitstillen - Neulich beim Familientreffen

Vor einiger Zeit fand wieder einmal eine Familienfeier statt. Wie bei uns üblich, kamen alle Familienmitglieder beim Heurigen zusammen, um Geburtstag zu feiern. Von der 87 Jährigen Großmutter, bis zum 3 monatigem Nachwuchs war ziemlich jede Altersstufe vertreten. Und meine Familie natürlich mittendrin. Die Erwachsenen feierten, tranken und plauderten während die Kinder den Spielplatz unsicher machten. Da kam mein Kind weinend zu mir und wollte kuscheln. Es war gestürzt und hatte sich eine ziemlich stark schmerzende Wunde zugezogen. Dazu hatte es schon großen Hunger (da wir noch auf das Essen warteten) und in der vorhergegangenen Nacht nicht besonders gut geschlafen. Die meisten Eltern können sich den Gemütszustand des Kindes wohl vorstellen.

Verletzt, müde und hungrig, ist gleich Supergau. Da reichte auch Kuscheln nicht mehr aus und mein Kind wollte das, was erfahrungsgemäß alles besser machen kann: Stillen.

Nun hatten wir beide nach wie vor eine schöne Stillbeziehung, in der das Kind zwar weniger, aber regelmäßig an die Brust wollte, und so durfte es das natürlich auch hier. Was sich daraufhin am Tisch abspielte kann man als durchaus lustiges Schauspiel bezeichnen.


Da gab es einen Teil der Verwandtschaft, der zwanghaft versuchte in andere Richtungen zu sehen, dem anderen Teil fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, während ein weitaus geringerer Teil mir kurz zulächelte oder einfach wie bisher weitermachte. Und ein paar Einzelne bekamen gar nichts mit. Ich beobachtete das Ganze amüsiert und fragte die Stielaugenfraktion ob alles in Ordnung wäre.

Nach kurzem Zögern kam dann auch schon die Frage „du stillst immer noch?“

Eine Szene, die vermutlich die ein oder andere Mama kennt. Denn das Babys gestillt werden wird in unserer Kultur relativ normal angesehen, aber ein Kleinkind? Das schon lange alles essen kann und in den Kindergarten geht? Da sieht die Sache schon ein wenig anders aus. Fragt man Menschen in unserer Kultur was für sie langes Stillen bedeutet, bekommt man eine Palette an Antworten. Für einige fängt es ab 6 Monaten an, die Meisten geben ab 1 Jahr an und einige ab 2 Jahren. Einfach, weil es bei uns ab einem gewissen Alter meist nicht mehr in der Gesellschaft gesehen wird. Es fehlen, wie so oft, die Vorbilder. Dabei gibt es auch bei uns durchaus so einige, die ihre Kinder weit über den ersten oder zweiten Geburtstag hinaus stillen.

Und tatsächlich lautet auch die offizielle Empfehlung der WHO genau so. Sie empfiehlt Kinder bis 6 Monate voll (also ausschließlich) zu stillen, und danach unter Einführung adäquater Beikost bis zu 2 Jahren und darüber hinaus zu stillen, solange es Mutter und Kind wollen. Und das aus gutem Grund.


Langzeitstillen hat Vorteile für Mutter und Kind

Das Kind wird weiterhin mit wichtigen Nährstoffen versorgt und auch sein Immunsystem kann stark profitieren (vor allem um den zweiten Geburtstag gibt es da erneut einen Anstieg an Antikörpern). Das Risiko für Allergien, Asthma, Fettleibigkeit und Diabetes sinkt ebenfalls. Zusätzlich konnten aber auch positive Effekte auf die emotionale, kognitive und motorische Entwicklung festgestellt werden. Und auch die Mutter profitiert von einer längeren Stilldauer. So ist das Risiko für Brust-, Gebärmutter- und Eierstockkrebs und ebenfalls Diabetes verringert. Mit der Länge der Stilldauer nehmen diese positiven Effekte sogar noch zu. Somit bringt das Stillen eines älteren Kindes sogar einige Vorteile mit sich und ist kein Grund sich zu verstecken.

Denn egal ob, wie kurz oder lange gestillt wird: niemand hat das Recht diese Entscheidung zu bewerten. Und so lange es für Mutter und Kind stimmt, muss sich niemand rechtfertigen.

Und wenn Frauen darin bestärkt werden, so lange zu stillen, wie sie und ihr Kind das eben wollen, dann kann es auch in unserer Gesellschaft wieder mehr Vorbilder geben, die auch über die positiven Effekte Bescheid wissen. Und wer weiß, vielleicht ist es dann auch bei Familienfeiern so wie es sein sollte: völlig normal.

 

Über die Autorin:


Mag. Bianca Maly ist unter anderem Psychologin und Stillberaterin EISL und begleitet Familien, dank vieler Fortbildungen, bindungsorientiert zu vielen verschiedenen Themenbereichen. Als zweifache Mutter hat sie neben der fachlichen Expertise auch einiges an persönlicher Erfahrung und kennt den ganz normalen Familienwahnsinn.


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