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Stillen mit dem Brusternährungsset – Ein doppelter Erfahrungsbericht

Als mein Sohn 2014 geboren wurde, habe ich mir im Vorfeld keine Gedanken über das Stillen gemacht – ich wusste ich will stillen und das war alles an Vorbereitung und Information, was ich mir zurecht legte.

Dann war der kleine Bub geboren und durch die Geburt ziemlich geschwächt, das erste Anlegen klappte nicht wirklich.

In den darauf folgenden Tagen wurden meine Brustwarzen so wund, dass sie 2 Euro Münzen groß blutig waren. Jedes Anlegen tat höllisch weh und es blutete. Mein Sohn trank auch nicht und nahm ab, schon im Krankenhaus musste ich gewonnenes Kolostrum zufüttern.

An Tag 5 ging die Gewichtskurve weiter nach unten und meine Hebamme sagt mir, dass wir nun zufüttern müssen. Sie war zu dieser Zeit noch keine zertifizierte Stillberaterin, hat mir aber das Brusternährungsset empfohlen, das ich direkt bei ihr gekauft und in Verwendung genommen habe.

Was ist ein Brusternährungsset?


Ein Brusternährungsset (kurz: BES) ist ein sogenanntes Stillhilfsmittel. Es besteht aus einem Behälter für (abgepumpte oder Formula) Milch und zwei Schläuchen, die Frau sich auf die Brust klebt (oder diese werden mit dem Finger seitlich über den Mundwinkel in den Mund des Babys geschoben). Es gibt unterschiedlich dicke Schläuche (dick, mittel, dünn), je nachdem wie gut das Baby saugen kann.

Die Schläuche können mittels einer Vorrichtung am Brusternährungsset abgeklemmt werden, damit die Milch kontrolliert fließen kann. Die Fließgeschwindigkeit der Milch kann durch die Höhe des Brusternährungsset, die dicke der Schläuche und das öffnen/schließen des zweiten Schlauches, gesteuert werden.

Da hier eine Zufütterung direkt an der Brust stattfinden kann ist es bei indizierter Zufütterung das Mittel der ersten Wahl.

Der Umgang erschien mir recht kompliziert. Generell fühlte ich mich überfordert und überrannt, was dem schrecklichen Wochenbett mit Unmengen an Besuch und noch mehr Ratschläge zu verdanken war.

Wir haben dann eine zertifizierte Stillberaterin kontaktiert, die uns ermutigt hat, an der Sache dran zu bleiben, jedoch vom Brusternährungsset nicht viel gehalten hat. Ich hatte begonnen zu pumpen, nicht wirklich nach einem Schema, sondern so wie es eben ging. Nach dem Stillen, das Dank einer Lasertherapie und Stillhütchen, nicht mehr so schmerzte, bekam mein Sohn mittels Becher ein bisschen Milch eingeflößt.

Das Brusternährungsset lies ich, auch wegen abwertender Kommentare, außen vor.

Schlussendlich war mein Sohn ein Flaschenkind.

Mich hat - und es schmerzt noch immer - dieser Umstand immer sehr traurig gemacht. Mit der Unterstützung meines Mannes haben wir aus dieser Situation das Beste gemacht. Die Flasche gab es immer nach Bedarf, ausschließlich von uns beiden und immer im Körperkontakt zum kuscheln.

In der Zwischenzeit habe ich mir selbst viel Stillwissen angelesen und bin Stillberaterin EISL in Ausbildung.

Gut informiert und mit kompetenter Unterstützung an der Hand in die zweite Stillbeziehung


Als ich endlich wieder schwanger war, habe ich eine mir vertraute Stillberaterin kontaktiert und sie gebeten, mich in der erneuten Stillbeziehung zu unterstützen und zu begleiten.

Wir hatten uns bereits in der Schwangerschaft getroffen und noch ein mal alle wichtigen Punkte besprochen, wie Anlegen nach der Geburt, Haut zu Haut Kontakt, häufige Stillmahlzeiten des Neugeborenen und seine Ausscheidungen.

Dann kam der Tag der Geburt und ich habe mich nicht nur auf die Geburt gefreut sondern auch auf das Stillen. Die Geburt, die wir dieses Mal zu Hause erleben durften, war wunderschön und auch das erste Anlegen hat bald nach der Geburt super geklappt.

Ich hatte ein wunderschönes Wochenbett und konnte mich super erholen, was mir im Alltag mit zwei Kindern wirklich zu Gute kommt, weil ich immer noch davon profitiere.

Nur das Stillen war leider wieder ein absolutes Desaster.

Ich dachte es liefe sehr gut, der kleine trank und war zufrieden, nur die Gewichtszunahme passte so überhaupt nicht.


Meine Hebamme riet mir sofort zum Brusternährungsset und mein erster Gedanke war „Nein, nicht schon wieder!“ Aber ich wollte unbedingt stillen und vor allem mein Baby an der Brust haben, also habe ich das BES wieder aus dem Kasten geholt und mich daran gemacht es zu nutzen.

Der Anfang damit war wirklich extrem schwierig. Zum einen war ich psychisch total angeschlagen weil es den Anschein hatte, dass es wieder die Flasche werden wird und zum anderen erfordert der Umgang mit dem Brusternährungsset wirklich einiges an Übung und am Anfang auch jede Menge Unterstützung – Von der Hebamme, der Stillberaterin und der Familie.


Und da hat mein Mann wirklich großartiges geleistet. Er hat mich von allem frei gespielt, damit ich mich auf Pumpen und Stillen und Kuscheln mit dem Baby fokussieren konnte.

Und auch die Umfamilie hat großartig unterstützt, indem sie den großen Bruder abgeholt hat und mir somit unter die Arme gegriffen hat, wenn auch das Verständnis für mein Tun nicht wirklich vorhanden war.

Meine Stillberaterin war aus gesundheitsgründen leider nicht für mich verfügbar, also kontaktierte ich wieder die Stillberaterin von damals, lies mir Tipps geben und habe am BES festgehalten, obwohl sie von der Nutzung nicht überzeugt war.

Ich habe durch eine andere Stillberateirn in meiner Nähe dann die Elterninfo von Marta Guoth-Gumperger zum BES bekommen und das hat mir in der Handhabung unglaublich geholfen.


Außerdem habe ich mich im Internet schlau gemacht und diesen wirklich hilfreichen Link gefunden (https://www.still-lexikon.de/brusternaehrungsset-schritt-fuer-schritt/). Anhand des Links habe ich viele hilfreiche Tipps bekommen. So weiß ich nun, dass die Schläuche des BES immer so geklebt werden müssen, dass das Pflaster unter der Nase verläuft und der hilfreichste Tipp war ein kleiner Hacken, an dem ich das BES nun an der Kordel montiere, damit ich es nicht immer über den Kopf ziehen, sondern nur schnell einklicken muss.

Zu Beginn habe ich mir 8 Wochen gegeben in der Nutzung mit BES und wenn Vollstillen dann nicht funktioniert, wollte ich auf Flasche umsteigen. In der Zwischenzeit wurde bei meinem Sohn (bzw. bei Beiden) ein zu kurzes Zungenband diagnostiziert, welches wir durchtrennen haben lassen.

Da habe ich dann wieder ein paar Wochen dran gehängt.


Aus meinem Umfeld habe ich dafür einiges an Unverständnis (Die wird sich jetzt doch nicht über Monate Schläuche auf die Brust kleben) geerntet, aber mittlerweile dürfte es bei allen angekommen sein, dass ich auch hier mein eigenes Ding mache.


Mittlerweile stillen wir seit fast 9 Monaten mit dem BES und ich weiß, dass ich damit erst aufhören werde, wenn mein Sohn und ich unsere Stillbeziehung in gegenseitigem Einvernehmen beenden oder meine Milch im vorangeschritten BLW Alter dann doch reichen wird., da er ordentlich saugen kann.

Auch unterwegs ist das Brusternährungsset ein selbstverständliches Teil, das wir gebrauchen und ich stille, mittlerweile, ganz selbstverständlich damit in der Öffentlichkeit. Und bis jetzt habe ich zwar viele Fragen dazu bekommen, aber noch keinen abschätzigen Kommentar. Viele Frauen haben mir im Zuge dessen von ihren Stillgeschichten erzählt und es waren einige dabei, die sich ein Brusternährungsset gewünscht hätten, damit sie vielleicht auch ihre Stillbeziehung retten hätten können.


Gut Ding braucht Weile...die Übung macht den Meister


Das klingt nun alles nach ganz schön einfach, war es und ist es auch jetzt, nicht immer.

Zwischenzeitlich war ich echt verzweifelt mit dem Set, weil es einfach seine Zeit dauert, bis alles gerichtet ist und mir mein weinendes Baby unendlich leid getan hat. Nicht nur einmal habe ich mein BES angeschrien und es ist auch schon durch die Luft geflogen.


Generell bedeutet ja die Verwendung von Formula mehr Aufwand, denn alles muss gereinigt und befüllt werden, die Flaschen müssen mit auf jeden Ausflug, die Sterilisation – all das ist ein ordentlicher Mehraufwand (zeitlich und finanziell) im Gegensatz zum Stillen ohne Hilfsmittel. Kommt dann noch das BES dazu gibt es noch eine weitere Komponente zum reinigen, Schläuche tauschen und vor allem zum Anbringen des Sets.


Das hat mich am Anfang wirklich viele Nerven gekostet. Endlich hatte ich den Schlauch angeklebt, das Kind eingermaßen ordentlich angedockt und schon war alles wieder verrutscht, weil das Baby mit seinen Ärmchen irgendwo eingehackt war oder doch wieder das Vakuum verloren hat.

Auch war immer wieder einmal der Schlauch verstopft und es kam keine Milch (das war oft der Fall, wenn das Ventil zu fest zugeschraubt oder der Schlauch nicht ordentlich gereinigt war) oder das Ventil war nicht gut zugeschraubt und die ganze Milch ergoss sich über mich.


Aber dennoch bin ich so unendlich dankbar, das Brusternährungsset in Verwendung zu haben und ich möchte es auf keinen Fall missen. Mittlerweile habe ich auch schon ein zweites in Verwendung, weil es einfach praktischer ist mit dem Wechsel und ich manchmal auch Panik habe, dass ich es beim Auskochen am Herd vergesse und dann doch zur Flasche greifen muss.

Ich möchte allen Mamas Mut machen, bei Stillproblemen, sofern es indiziert ist, zum Brusternährungsset zu greifen!

Wenn dir dein Stillberaterin, aus welchen Gründen auch immer, zum Zufüttern rät, dann greif zum Brusternährungsset und füttere an der Brust zu.

Sollte die Beraterin sich nicht damit anfreunden können – such dir eine andere!

Halte durch, es lohnt sich!

Was mir auch sehr geholfen hat und immer noch ganz wichtig für mich ist, ist der Austausch mit anderen Stillmamas. Dazu gehe ich liebend gerne in Stillgruppen, was in Corona Zeiten manchmal gar nicht so einfach ist und ich tausche mir gerne mit Mamas auf Facebook in der Gruppe „Stillen mit dem Brusternährungsset“ aus. Auch dort habe ich viele hilfreiche Tipps bekommen und finde immer wieder Motivation, wenn ich gerade einen Durchhänger habe (der in jeder Stillbeziehung ganz normal ist).

Das gute Gedeihen, die Freude und das Lachen meines Sohnes, wenn er den Still BH klicken hört ist einfach wunderschön und wenn er dann angedockt an der Brust liegt und mich anlächelt, dann habe ich mit Hilfe und Unterstützung durch das BES genau das was ich haben wollte - eine wundervolle Stillbeziehung.

 

Über die Autorin:


Mag. Doris Zipper ist zertifizierte Trageberaterin der Trageschule Wien und Stillberaterin EISL in Ausbildung in gesamt Wien. Sie lebt und arbeitet mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Simmering. Ihre Hobbies sind ihre Familie und Freunde, lesen, tanzen und Geburtsvideos schauen.

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